Portrait
Mia Feldmann ist die Gründerin und Geschäftsführung der Feldmann Nachhaltigkeitsberatung für Gesundheitseinrichtungen. Zusätzlich geht sie gerade mit Ihrer neusten Start-up Idee an den Start: Mit der smarten KI-Plattform Mirai möchte sie einen weiteren Beitrag zur Transformation des Gesundheitssystems leisten.
Dass sie heute eine erfolgreiche Mehrfachgründerin sein würde, war keineswegs vorgezeichnet: Als Erste in ihrer Familie studierte sie und startete ihre Laufbahn zunächst in der Wissenschaft. Sie engagierte sich bei der GEW NRW und an der Uni Bielefeld als Personalrätin. Ihr Weg hat sie geprägt – vor allem in ihrem festen Glauben an Mitbestimmung und Partizipation. Für Feldmann steht fest: Jede Person verdient es, gehört zu werden. Und sie ist überzeugt: Vielfalt und unterschiedliche Perspektiven sind kein Nice-to-have, sondern ein entscheidender Erfolgsfaktor für Unternehmen.
Angehenden Gründerinnen rät sie: Legt einfach los und wartet nicht darauf, bis ihr vermeintlich alles könnt. Man lernt so viel auf der Reise. Das strategische Aufbauen eines guten Netzwerkes würde ich jederzeit der hundertsten Weiterbildung vorziehen.
Inwiefern hat deine Tätigkeit in der Wissenschaft deine Selbstständigkeit beeinflusst?
Einerseits ist der Zugang zu Fachwissen wichtig. Darüber hinaus hatte ich die Möglichkeit, mit vielen Beteiligten zusammenzuarbeiten. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bielefeld war ich u. a. Teil eines großartigen Praxisprojekts zum Thema Pflege und Entlassmanagement. Dadurch habe ich gelernt, wie Transformation im Gesundheitssystem gelingen kann. Ein starres System zu ändern, ist oft gar nicht so leicht, und es braucht viele verschiedene Perspektiven dafür.
Gibt es rückblickend für dich aus dieser Zeit bestimmte Schlüsselmomente?
Ein Schlüsselmoment war 2018, als meine Doktormutter zu mir sagte: Beantrage doch ein Stipendium. Ich dachte damals, das sei etwas für andere, für Leute mit makellosen Lebensläufen, mit Einser-Abi und Auslandspraktika, die alles strategisch angegangen sind. Ich hatte immer gearbeitet, neben Schule und Uni. Strategie kam erst später. Aber da hat es Klick gemacht.
Ich denke, es ist enorm wichtig, zu wissen, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt, und diese dann auch gezielt zu nutzen. Genau deshalb braucht es mehr Aufmerksamkeit und Bewusstsein für das Thema Bildungsgerechtigkeit. Nur so können bestehende Ungleichheiten erkannt und abgebaut werden.
Wie kam es dann zu deiner Gründung?
Durch die Mitarbeit in dem Praxisprojekt habe ich viele Menschen im Krankenhauskontext kennengelernt. Die hatten mich dann im Hinterkopf. Ich wurde damals gefragt, ob ich nicht bei einem anderen Projekt auch mithelfen könne. Oft drehte sich alles um die Frage: Wie kann ich Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Gesundheitsbereich einführen? Damit diese dann auch wirklich genutzt werden? So begann ich, die Begleitung in Projekten zu übernehmen.
Gleichzeitig wollte ich mich aus der Wissenschaft herausentwickeln. Ich bediene mich gerne der Methoden, habe in dieser Zeit jedoch gemerkt, dass mir das System einfach nicht gefällt. Die Flexibilität war toll für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber durch die befristeten Verträge gibt es keine Planungssicherheit. Das erschwert Familienplanung und Hausbau. Ich denke, hier gibt es noch viel Nachholbedarf.
Du hast dich in deiner wissenschaftlichen Laufbahn schon mit Projekten zur Gesundheitstransformation beschäftigt. Ein komplexes Thema. Konntest du aus dieser Tätigkeit Erfahrungen für deine spätere Selbstständigkeit mitnehmen?
Ich denke, tendenziell ist es ein Problem, dass Projekte oft zeitlich begrenzt sind. Nach Ablauf der Zeit stehen die Krankenhäuser dann da und es stagniert, weil keine Ressourcen mehr vorhanden sind. Wenn sich etwas langfristig etablieren soll, muss dies also immer mitbedacht werden.
Impact kommt nur zustande, wenn ich die Leitungen auch im Boot habe. Wir haben damals regelmäßig Gespräche mit den CEOs und den Projektteilnehmer*innen geführt. Insbesondere Nachhaltigkeitsmanager*innen sind hochgradig intrinsisch motivierte Menschen, die etwas verändern wollen. Information, Austausch und Feedback sind sehr relevant.
Was hat dir neben deinen Kontakten bei der Selbstständigkeit geholfen?
Durch mein Stipendium bin ich auch bei dem Karriereförderungsprogramm für Frauen der Begabtenförderwerke des Cusanuswerk vorgeschlagen worden. Das hat mir Rückenwind gegeben. Ich habe mir die Top-Beratungsfirmen in Deutschland angeschaut und überlegt, wer in den höheren Ebenen in meinem Bereich beschäftigt ist. Eine Person habe ich dann einfach angeschrieben und gefragt, ob sie meine Mentorin werden möchte.
Wir hatten sofort einen Draht zueinander. Sie gab mir den entscheidenden Hinweis für meine Spezialisierung auf Nachhaltigkeitsberichterstattung. Das war ihr Bereich und ich hatte die Expertise für Krankenhäuser und Strukturen in diesem Sektor.
Derzeit arbeitest du an einer neuen smarten Lösung für die Transformation des Gesundheitssystems. Was steckt dahinter?
Ja, ich baue derzeit mit einem kleinen Team ein Produkt namens Mirai auf. Es handelt sich um ein Tool, das Nachhaltigkeitsmanager*innen in Organisationen dabei unterstützt, Projekte gezielt und effizient zu entwickeln – und zwar über die reinen Berichtspflichten hinaus. Wir haben mit 18 Nachhaltigkeitsmanager*innen gesprochen und ein Survey mit 48 weiteren durchgeführt und gefragt: Was braucht ihr wirklich? Das Ergebnis: Sie benötigen Informationen, Orientierung und Zeitersparnis. Unser Tool soll dabei helfen, bewährte Verfahren schneller zu finden, Projektpläne zu erstellen und intern zu kommunizieren. Alles basiert auf einer umfassenden und einzigartigen Realdatenbank. Es geht darum, Wirkung zu erzeugen und nicht nur Berichte zu schreiben.
Was macht aus deiner Sicht ein Unternehmen erfolgreich?
Zum einen ist Mitbestimmung sehr relevanter Faktor für mich. Der Schlüssel zum Erfolg ist es, verschiedene Perspektiven zu hören. Das Thema Mitbestimmung nervt aktuell zwar viele, aber ich denke, man kann da viel rausholen. Ein hoher Krankenstand ist beispielsweise häufig lediglich ein Anzeichen tieferliegender Ursachen. Ich möchte das anders machen. Ich möchte, dass sich jeder gesehen fühlt. Vielleicht ist das auch so ein Mutter-Ding. Ich habe gelernt, Dinge abzugeben. Ich kann nicht alles kontrollieren. Dafür erhalte ich auch sehr positive Resonanz. Es motiviert Menschen, wenn sie eigenverantwortlich arbeiten dürfen.
Zum anderen ist Diversität ein enormer Wettbewerbsvorteil. Deutsche Unternehmen sind in der Regel noch sehr homogen aufgestellt, was ich sehr schade finde. Aber auch im Start-up-Kontext zeigt sich das leider noch. Wenn das Team weiß und männlich ist und nur aus IT-Entwicklern besteht, wird es auf Dauer vermutlich ein Problem wegen fehlender Diversität und einseitigen Blickwinkeln bekommen - bestimmte Bereiche sind einfach nicht abgedeckt bzw. werden nicht mitgedacht. Wir sollten daran arbeiten, mehr Menschen zu motivieren und zu befähigen, sich einzubringen.
Wie nimmst du Selbstständigkeit in Bezug zu Vereinbarkeit wahr?
Ich denke, das kann man nur individuell bewerten. Viele fragen mich, wie ich das schaffe. Ich glaube, ich bin einfach ein resilienter Mensch. Mich stressen Dinge nicht so schnell. Meine Selbstständigkeit erlaubt mir viel Flexibilität. Eine gute Freundin von mir arbeitet als Kosmetikerin mit bestimmten Öffnungszeiten. Da bin ich dann diejenige, die sie fragt, wie sie das schafft. Ich ziehe den Hut davor, das zu organisieren.
Jeder Mensch ist da anders. Grundsätzlich muss es zu Hause einfach klappen. Man muss Vertrauen in sein Umfeld haben und auch manchmal um Hilfe bitten. Ich denke, wir können uns alle nicht ganz von unserer inneren Kritikerin befreien, wenn ein wichtiger Termin ansteht und ich deshalb meine Kinder nicht selbst am Bus zur Klassenfahrt absetzen kann. Dafür bin ich an anderen Tagen zu Hause.
Welche Tipps hast du an angehende Gründerinnen?
Erstens: Nicht auf die perfekte Qualifikation oder das nächste Zertifikat warten! Viele Frauen fangen erst an, wenn sie glauben, alles zu können. Dabei lernt man unterwegs so viel.
Zweitens: Überlegt euch immer: Was bringt mir diese Aufgabe? Was steht am Ende auf meinem inneren Lebenslauf?
Drittens: Fragt nach. Traut euch, Menschen direkt anzusprechen. Die meisten erzählen gerne, wie sie etwas geschafft haben, denn das ist eine Form der Wertschätzung. Und baut euch ein Netzwerk auf. Ohne das – ganz ehrlich – wird es schwer.
Das Interview führte Kim Lasche, Projektmanagerin im Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL
Fotos: Frederik Pahl, Mitarbeiter Kommunikation im Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL

v.l.: Kim Lasche vom Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL mit Mia Feldmann