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Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL 09.03.2022

Online-Seminar: New Pay - Teil gelebter Familienfreundlichkeit?! am 9. März 2022

Welche Überlegungen liegen dem Vergütungsansatz NEW PAY zugrunde, inwieweit können auch tarifgebundene Unternehmen profitieren und welche Schnittpunkte gibt es zu familienfreundlichen Angeboten? Am 9. März 2022 suchten 33 Unternehmensvertretungen aus unterschiedlichsten Branchen Anregungen, wie Vergütung zukunftsorientiert weiterentwickelt werden kann.

In der Begrüßung stellte Frau Rehmann-Decker, Amtsleiterin Wirtschaft & Tourismus Kreis Paderborn, die besonderen Herausforderungen klein- und mittelständischer Unternehmen heraus. Die Sicherung des wirtschaftlichen Erfolgs und der positiven regionalen Entwicklung ist entscheidend getragen von der Ausbildung, Gewinnung und Bindung der Fach- und Führungskräfte. Unternehmen sind gefordert, ihre Beschäftigten auch in Planung und Erfolgssicherung einzubeziehen und neue Konzepte zu prüfen. Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden ist ein wesentlicher „Klebstoff“.  Die Beteiligung und die Berücksichtigung von Bedürfnissen spielen dabei eine wesentliche Rolle. Mehr Freizeit und Flexibilität stehen bei vielen Mitarbeitenden ganz oben auf der Wunschliste. Frei nach dem Motto „Zeit ist Geld“ kann dies eine nicht monetäre Vergütungsform sein, die zur Zufriedenheit beiträgt.

Die Corona-Pandemie hat Flexibilität in allen Arbeitsbereichen gefordert und der Digitalisierung wie dem Home Office einen Entwicklungsschub beschert. In den vergangenen zwei Jahren haben Beschäftigte neue Konzepte der Mitbestimmung erlebt und ihre Vorstellungen zu  Arbeitsbedingungen weiterentwickelt. Um Fachkräfte zu gewinnen und zu binden sind Unternehmen jetzt gefordert, neue Konzepte zu prüfen und ihre Beschäftigten in Planung und Erfolgssicherung einzubeziehen. Die Entwicklung zu einem familienfreundlichen Unternehmen ist bereits ein Prozess, der zu einem intensiveren Dialog mit den Beschäftigten zu ihren Bedürfnissen genutzt wird. Neben Überlegungen zur Unterstützung in Familienarbeitsphasen berührt die Bedarfsermittlung auch Fragen zum Wert von Arbeit und deren Vergütung.

Die Referentin Nadine Nobile, Mitbegründerin und Geschäftsführerin der CO:X GmbH, tritt für eine  kooperative und partizipative Berufswelt ein, die den Sinn der Arbeit in den Mittelpunkt stellt. Statt einer klassischen Vergütungsberatung zur Entwicklung eines Gehaltsmodells, engagiert sie sich für eine lebenssituative Personalpolitik, in der Vergütung ganzheitlich betrachtet und werte- und zukunftsorientierte weiterentwickelt und gestaltet wird.

Zwei Aspekte betrachtet die New Work-Enthusiastin als unabdingbar für eine zukunftsorientierte  Unternehmensentwicklung: den Umgang auf Augenhöhe im Berufsalltag sowie die wertschätzende Einbindung und Vergütung der Beiträge aller Unternehmensbeschäftigten ein. Deshalb lohnt es sich, die unternehmenseigene Vergütungsstruktur und –kultur möglichst umfassend zu hinterfragen. Wollen wir nach Ausbildungsgrad oder Erfahrung entlohnen? Welchen Stellenwert haben autodidaktisch erworbene Kenntnissen und Fähigkeiten in unserem Unternehmen? Welche Gehaltsspannen werden genutzt und können wir begründen, welche Leistung, welcher Beitrag zum Unternehmensergebnis mit einem bestimmten Betrag entlohnt wird?

Welches innovative Potential durch die Einbeziehung von Beschäftigten in Entscheidungsprozesse frei werden kann, wie Unternehmen ihren eigenen New Pay-Ansatz entwickeln und als unternehmensindividuellen Prozess etablieren konnten, verdeutlichte Frau Nobile an Beispielen aus ihrer Beratungspraxis. Vorab betonte Frau Nobile, dass alle Konzepte anregen können, aber nicht kopierbar sind. Jedes Unternehmen ist einzigartig und muss daher seinen eigenen „Maßanzug“ finden. Dazu gehört auch die Frage, wer in Vergütungsüberlegungen und -entscheidungen einbezogen werden soll. „Zwischen Top-Down und der demokratischen Entscheidung liegt eine breite Spanne, in der sich jedes Unternehmen individuell positionieren und einordnen kann.“

Frau Nobile stellte ein Unternehmen vor, in dem auf Wunsch des Gründers und Geschäftsführers alle Beschäftigten den gleichen Lohn erhalten. Anders geht ein Großkonzern mit Tarifbindung vor. Im Rahmen eines Tarifabschluss wurden individualisierbare Wahlmöglichkeiten zwischen Gehaltsanpassung, Ausweitung der Urlaubstage oder Arbeitszeitreduktion geschaffen. Der New Pay-Weg einer Genossenschaft gehört sicherlich zu den ungewöhnlichsten Prozessen, die Frau Nobile bisher begleitet hat. Beschäftigte sind Genossen also Anteilseigner und verhandeln miteinander offen das Vergütungsmodell. Einerseits werden individuelle, zukünftige Wunschgehälter diskutiert und festgelegt, andererseits ist die Voraussetzung - der gutgefüllte „Gehaltstopf“ - noch nicht erreicht. Entgegen aller Erwartungen war in diesem New Pay-Prozess nicht die Festlegung einer Obergrenze notwendig, sondern die Einführung eine Untergrenze – ein Mindestgehalt musste festgelegt werden. „Beschäftigte wollen ihre Organisation, ihren Arbeitgeber erfolgreich und gesellschaftsgeschätzt sehen. Deshalb gibt es immer Menschen, die zugunsten der Organisation auf Gehalt verzichten. Hier kann nur Transparenz über die Aufgaben, Leistungen und Vergütungsgrundsätze das Unternehmensklima und die Identifikation mit dem Arbeitsumfeld fördern und erhalten.“ erläuterte Nadine Nobile. Deshalb kann ein Unternehmen in einer wirtschaftlich angespannten Situation den  New Pay-New Work-Dialog nutzen, welche Ideen Beschäftigte zur Überbrückung einbringen bzw.  welchen Beitrag sie in dieser Zeitspanne leisten können.

Familienfreundliche Unterstützungsangebote und Maßnahmen, die viele Unternehmen mittlerweile ihren Beschäftigten anbieten, sollten als nicht-monetäre Gehaltsanteile in New-Pay-Prozesse aufgenommen werden. Dabei stellt sich die Frage, wie sich Gehalt mit Unterstützungsleistungen (z.B. Kinderbetreuungszuschlag) oder echten Vorteilen (z.B. E-Bike-Leasing), die oftmals nicht für alle Beschäftigten nutzbar sind, zusammenführen lassen. Nadine Nobile motiviert zu gezielter Klärung von Bedarfen. Es ist entscheidend für die Akzeptanz und Zufriedenheit, dass möglichst alle Beschäftigten gleichwürdige Berücksichtigung ihrer Bedarfe erfahren und transparent über die Gründe für die aktuellen Regelungen informiert sind. Im Fall des Kinderbetreuungszuschlags wäre beispielsweise die Ausweitung des Angebotes auf betreuende Beschäftigte (z.B. Betreuungszuschlag für Zupflegende) denkbar oder eine alternative Wahlmöglichkeit für Beschäftigte bzw. Auszubildende mit längerem Anfahrtsweg (z.B. ÖPNV-Ticket-Abo, Azubi-Bus-Shuttle…). Nicht genutzte Angebote oder Privilegien weniger Beschäftigter sollten im New Pay-Prozess kritisch überdacht werden.

New Pay ist als kontinuierlicher Prozess zu verstehen, der immer wieder die Passung des aktuellen „Maßanzugs“ im Hinblick auf die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des Unternehmens überprüft und anpasst. „Wir sind davon überzeugt, dass Partizipation und Kooperation die Schlüsselfaktoren für Zukunftsfähigkeit und Erfolg eines Unternehmens sind“, schließt Nadine Nobile ihr Impulsreferat und ermutigt, sich konstruktiv und zukunftsorientiert mit dem Thema Vergütung auseinander zu setzen.

Bildunterschrift: Nadine Nobile (CO:X GmbH), Dr. Angela Siebert (Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL), Edith Rehmann-Decker (Kreis Paderborn)